Selbstüberschätzung

Selbstüberschätzung wird auch als systematische Fehleinschätzung des eigenen Könnens bzw. der eigenen Kompetenzen bezeichnet. Dies kann insbesondere im Straßenverkehr zu sehr risikoreichen Situationen führen, da mögliche Gefahrensituationen ausgeblendet werden. Selbstüberschätzung kann letztlich bei einigen Menschen sogar zu einem Flow-Erleben führen. Das Flow-Erlebnis bezeichnet das als beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung (Konzentration) und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit („Absorption“), die wie von selbst vor sich geht. Flow kann bei der Steuerung eines komplexen, schnell ablaufenden Geschehens im Bereich zwischen Überforderung (Angst) und Unterforderung (Langeweile) entstehen. Der Flow-Zustand und das Flow-Erleben sind individuell unterschiedlich.

Statistik

Laut aktueller Unfallstatistik des Statistischen Bundesamts waren 12,4 Prozent aller getöteten Verkehrsteilnehmenden im Jahr 2017 zwischen 18 und 24 Jahre alt. Ebenfalls zählten 16,1 Prozent aller Verletzten im Straßenverkehr zu dieser Altersgruppe, obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bei nur 7,7 Prozent liegt.

Vor allem bei Unfällen ohne Fremdeinfluss, bei denen Fahrer oder Fahrerinnen die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlieren, fallen Fahranfänger und Fahranfängerinnen statistisch auf. 2017 registrierte die Polizei 13.618 Unfälle mit Personenschäden dieser Art, die von 18- bis 24-Jährigen verursacht wurden. Dabei starben – über alle Altersklassen hinweg – 229 Menschen. Das entspricht 49 Prozent aller Getöteten.

Ein Grund für Selbstüberschätzung ist die Routine

"Den Stoff für die Mathearbeit...

...kann ich mit links“, „Im Sportunterricht bin ich den anderen total überlegen“, „Ich habe alles im Griff, auch wenn ich schnell fahre“ –   ein bisschen Selbstüberschätzung steckt in uns allen. Schon kleine Kinder meinen, Taschen tragen zu können, die schwerer sind als sie selbst. „Das kann ich schon!“ ist hier an der Tagesordnung. Doch auch Erwachsene schätzen sich und ihre Leistung oft viel zu positiv ein. So glauben laut einer Umfrage 94 Prozent der amerikanischen College-Professoren und -Professorinnen, mehr zu leisten als die anderen. An sich zu glauben ist richtig und wichtig, denn das gibt uns Selbstvertrauen und Motivation. Doch der Grat zwischen einem gesunden Maß an Selbstüberschätzung und Größenwahn ist schmal. Ein zu großes Ego macht uns unempfänglich für die Realität. In der Schule kann das ggf. Stress verursachen. Doch im Straßenverkehr kann Selbstüberschätzung mitunter tödlich sein.

Wie kommt es zur Selbstüberschätzung?

Ein Grund für Selbstüberschätzung ist die Routine: Wer täglich den Schulweg meistert, ist sich sicher, diesen quasi blind gehen zu können. Das Gefahrenbewusstsein wird überlagert, die Aufmerksamkeit reduziert. Doch niemand kann beispielsweise gleichzeitig Nachrichten checken und auf den Verkehr achten.

Mehr als jeder zehnte im Straßenverkehr getötete Mensch war zu Fuß unterwegs – häufig mit dem Handy in der Hand. Dabei muss man sich eines bewusst machen: Nachrichten und Anrufe gehen nicht einfach verloren, man kann sie auch erst später in Ruhe ansehen. Die Gesundheit ist mitunter unwiderruflich verloren. 

Bei wem kommt es zur Selbstüberschätzung?

Besonders jüngere und im Straßenverkehr unerfahrene Menschen überschätzen sich häufig selbst, wodurch folgenschwere Fehler geschehen, die im Straßenverkehr zu Unfällen führen. Das Vorschulkind überquert die Fahrbahn, ohne richtig zu gucken, an einer unübersichtlichen Stelle. Der Grundschüler liefert sich auf dem Weg zur Schule ein Radrennen mit seinen Freunden. Und die Fahranfängerin testet auf der Landstraße die Höchstgeschwindigkeit ihres Kleinwagens. In all diesen Fällen prallen Anfängerrisiko und Jugendlichkeitsrisiko als gefährliche Mischung aufeinander. Die Folge: Unnötig riskante Manöver mit teils tödlichen Folgen. So sind es im Vergleich zu anderen Altersgruppen vor allem die jungen Menschen, welche überdurchschnittlich häufig verunglücken. Wie das aussehen kann, erzählen die Menschen unten. 

Meine Story. Deine Story.

Die hier vorgestellten Geschichten dienen dazu, über das Thema und Verhaltensoptionen in verschiedenen Situationen im Straßenverkehr ins Gespräch zu kommen.

Selbstüberschätzung - DVR Allein Unterwegs

Abidurchschnitt gerettet

Jenny ist superhappy. Eine eins in der Englischklausur. Das rettet ihr den Abidurchschnitt. Wahnsinn. Jetzt nichts wie in den Park. Die anderen warten wahrscheinlich schon. Und die wissen ja auch noch nichts von ihrer eins.

Jenny schmeißt ihre Klamotten in den Rucksack, setzt den Helm auf und rast los. Mit ihrem Rennrad ist sie die Schnellste. Da holt sie niemend ein. Oder doch? Auf dem Radweg in Richtung Park überholt sie plötzlich Jan aus der 12. Kann ja wohl nicht wahr sein. Wie ist der denn drauf? Glaubt er, weil sie ein Mädchen ist, kann er sie abhängen? Beflügelt von ihrer guten Laune, tritt sie in die Padalen. Als sie auf gleicher Höhe sind, kommt ihnen plötzlich ein kleines Mädchen auf ihrem Rad entgegen. Hallo? Sie ist auf dem falschen Radweg, aber ...

Selbstüberschätzung - DVR Allein Unterwegs

Yes! Endlich ein Date!

Julia schlendert gemütlich durch die Fußgängerzone und schaut unbeteiligt in ein Schaufenster. Plötzlich bemerkt sie die Nachricht auf ihrem Smartphone. Nein. Sie kann es nicht glauben. Jan hat ihr geschrieben. Damit hätte sie nicht mehr gerechnet. Er will sich mit ihr treffen. Um 15:00 Uhr. Um 15:00 Uhr??? Das ist in genau 5 Minuten.

Julia rennt los wie von der Tarantel gestochen. Sie schaut weder nach rechts noch nach links. Die Ampel am Ende der Fußgängerzone kümmert sie nicht. Sie drängelt sich durch die Menschentraube der dort bei Rot Wartenden hindurch und schnellt auf die Straße. 

Wie aus einem schlechten Traum erwacht sieht und hört sie plötzlich die laut klingelnde Straßenbahn genau vor sich. Ein fester Stoß schubst sie auf die andere Seite der Schiene. Dort steht sie wie versteinert und kann sich nicht mehr bewegen. Als die Straßenbahn vorbei ist, sieht sie den Mann, der sie gestoßen und gerettet hat. Kopfschüttelnd kommt er auf sie zu.

Selbstüberschätzung - DVR Allein Unterwegs

Der Sonne entgegen

Alex hat es endlich geschafft, sich für einen Nachmittag mit Lynn zu verabreden. Er fühlt sich unglaublich beschwingt. Die sicherste Methode, Lynn zu beeinducken, ist auf seinem Moped. Denn eins steht fest, Moped fahren kann Alex. Ein Picknick am See. Das wird ihr gefallen. Nachdem Lynn ihren Helm angelegt hat, düsen sie los. Lynn hält Alex eng umschlungen. Schönes Gefühl. Die Sonne scheint. Es ist schön warm. Alex gibt Gas. Die Landstraße in Richtug See ist ganz leer. Alex wird immer schneller. Lynn hält ihn immer fester umschlungen. Sie sagt irgendetwas, aber Alex ist wie paralysiert und fährt  einfach weiter. Am See angekommen springt Lynn von dem Sozius, reißt sich wütend den Helm vom Kopf und schreit Alex an, während sie sich in Richtung Bushaltestelle bewegt. Was ist bloß los? Alex versteht die Welt nicht mehr.

Selbstüberschätzung - DVR Allein Unterwegs

Virtual Reality

Es ist Sommer. Es ist heiß und es ist Wochenende. Tom ist bester Laune. Die Party bei Ole heute Abend wird der Hammer. Oles Eltern haben ein riesiges Haus mit Pool. UND: Sie sind im Urlaub! Vorher muss er aber noch zu seiner Großmutter. Er hat es seinem Vater versprochen. Sie wohnt am anderen Ende der Stadt in einem Seniorenheim und freut sich über jeden Besuch. 

Tom steht oben an der Rolltreppe zur U-Bahn, als er sie unten anrauschen hört. Die darf er auf keinen Fall verpassen. Im Kopf hat er nur noch die Party. Er will noch Chips und Getränke besorgen. Außerdem muss er von Sarah  noch die Bluetoothbox holen. Wieso hat er die ihr überhaupt geliehen? Er rast die Gott sei Dank völlig leere Rolltreppe hinunter und übersieht unten einen umgefallenen Papierkorb. Tom stolpert. Rollt auf den Bahnsteig und bleibt kurz vor der Bahnkante liegen. Seine neue Jeans ist hin. Ein Mädchen fasst ihn erschrocken an der Schulter und fragt, wie es ihm geht ...

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